Wo können wir Trinkwasser sparen?

Gemeinsame Pressemitteilung der Philipps-Universität Marburg und der Stadtwerke Marburg

(Foto: Georg Kronenberg)

Geograph*innen der Universität Marburg untersuchen, wie und wo sich Trinkwasser im Landkreis Marburg-Biedenkopf durch Brauch- und Frischwasser ersetzen lässt. 

Angesichts immer längerer Dürreperioden stellt sich auch im Landkreis Marburg-Biedenkopf die Frage, wo und wie kostbares Trinkwasser gespart werden kann. Bürger*innen können hier einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie ihren eigenen Verbrauch senken. Doch auch die Wasserversorger sehen sich zunehmend in der Pflicht, ihre Wasserstrategie zu überprüfen. Gemeinsam mit den Stadtwerken Marburg analysieren Geograph*innen der Philipps-Universität in den kommenden zwei Jahren, wie Wasserversorger und Kommunen im Landkreis dazu beitragen können, zukünftig mehr Trinkwasser zu sparen. Ihr Ansatzpunkt: Das wertvolle Trinkwasser könnte in bestimmten Anwendungsfällen durch Brauch- bzw. Frischwasser aus bestehenden Quellen und Brunnen im Landkreis ersetzt werden. Das Hessische Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz unterstützt das Vorhaben mit über 150.000 Euro.

„Im Raum Marburg gibt es eine Vielzahl von Brunnen, die früher von den kommunalen Wasserverbänden zur Wasserversorgung genutzt, aber im Zuge der Umstellungen der Versorgungsinfrastruktur in den letzten Jahrzehnten ‚stillgelegt‘ wurden“, sagt Prof. Dr. Peter Chifflard vom Fachbereich Geographie der Universität Marburg, der die Studie leitet. „Die Schüttung ist immer noch aktiv, auch und vor allem in Trockenzeiten, trotzdem wird das Wasser aus verschiedenen Aspekten nicht genutzt. Mit diesen Quellen und Brunnen könnte gerade in extremen Dürreperioden eine Versorgungslücke geschlossen werden – vor allem wenn keine großen Anforderungen an die Wasserqualität gestellt werden“, sagt Chifflard. Als Beispiel führt er die Bewässerung von Stadtbäumen, Friedhöfen oder Garten- und Parkanlagen an. Hier sei sogenanntes Brauchwasser, das keine Hygienestandards erfüllen muss, absolut ausreichend.

Das Problem: Bisher gibt es keine ausreichende Datengrundlage, die verlässliche Aussagen darüber erlaubt, welches Einsparpotenzial es hinsichtlich der Trinkwassernutzung in der Region gibt und welche rechtlichen und hygienischen Hürden zu überwinden wären. „Um hier belastbare Zahlen und Lösungsmöglichkeiten zu ermitteln, ist die Einbindung vieler unterschiedlicher Akteurinnen und Akteure erforderlich – wir freuen uns sehr, dass es uns gelungen ist, so viele regionale Kooperationspartner für unser Projekt zu gewinnen“, sagt Chifflard. An der Studie beteiligt sind neben den Stadtwerken Marburg, dem Landkreis Marburg-Biedenkopf sowie der Stadt Marburg weitere Städte, Kommunen und Unternehmen in Hessen.

Mit Unterstützung der Kooperationspartner*innen ist in der ersten Projektphase zunächst eine umfassende Kartierung der möglichen Quellen und Brunnen in der Region vorgesehen. „Nach ersten Schätzungen können wir mit ca. 100 solcher Standorte rechnen, über die wir erst einmal die wichtigsten Basis-Informationen einholen, zum Beispiel zum grundlegenden Zustand der jeweiligen Quelle beziehungsweise des Brunnens oder den Eigentumsverhältnissen“, sagt Chifflard. Im nächsten Schritt erfolgt die Messung verschiedene hydrochemischer Parameter, wie beispielsweise der Wassertemperatur, des pH-Wertes oder der elektrischen Leitfähigkeit an den verschiedenen Standorten. „Dabei ist es wichtig jahreszeitliche Schwankungen zu berücksichtigen, die sich je nach Lage und Tiefe des Brunnens bzw. der Quelle auf die Wasserquantität und -qualität auswirken können. Insbesondere die Messungen im Sommer sind von großer Bedeutung, um den quantitativen Nutzen eines Standortes zur Substitution von Trinkwasser in möglichen Dürreperioden zu ermitteln“, sagt Chifflard. Darüber hinaus sammelt das Projektteam verschiedene Informationen zum Wasserverbrauch in den verschiedenen Kommunen, zum Beispiel die benötigte Menge für Bewässerungen in trockenen Zeiträumen.

In der zweiten Projektphase bestimmen die Wissenschaftler*innen der Philipps-Universität die Wasserqualität. „An den Standorten, die nach der ersten Analyse generell für eine Nutzung in Frage kommen, entnehmen wir Wasserproben, die wir auf Verunreinigungen oder auch mikrobiologische Parameter untersuchen. Dabei grenzen wir dann mögliche Standorte weiter ein“, sagt Chifflard. Sind diese ersten Werte in einem vertretbaren Bereich, so werden weitere, umfassende Analysen hinsichtlich der Wasserqualität entsprechend der Rohwasseruntersuchungsverordnung durchgeführt.

„Nach einer umfassenden Bilanzierung haben wir dann in Summe eine verlässliche Datengrundlage, um verschiedene Nutzungsmöglichkeiten einzuordnen und Empfehlungen für Einsparmaßnahmen im Landkreis abzuleiten“, sagt Chifflard und betont darüber hinaus den Modellcharakter der Studie: „Wir erheben sehr umfassende Daten und entwickeln eine tragfähige Strategie, wie Wasserversorger und Kommunen nachhaltig die Ressource Trinkwasser schonen können. Hieraus können sich auch weiterführende kommunale Projekte ergeben, die sich intensiver mit der Nutzung von Brauchwasser beschäftigen, zum Beispiel mit der Nutzung von Brauchwasser als Spülwasser für Toiletten, wenn ein Brunnen oder eine Quelle in der Nähe von Siedlungen liegen, oder mit der Renaturierung bzw. dem Wiederanlegen von Bachläufen.“